Nadja Soukup ist die vielgestaltige Verkörperung eines historischen Massenmordes an jüdischen Kindern im Hamburg der letzten Kriegstage – eine grimmige Energieleistung. Stefanie Otten spielt Lotte, die in einer surrealen Angstszene in einer Telefonzelle ertrinken wird, mit einem schnippischen Stolz und einem pikierten Trotz, der sich lachend selbst gegen den Tod stemmt. Norma Gonzales-Daniels gestaltet mit ihrem spanisch-lispelnden Akzent den Totengräber sehr markant… Neben Peter Schmidt als Friseur Otto, Sascha Stegner als sein selbstquälerischer Lebensgefährte Helmut und Eric Haug als politisch kurzsichtiger Komponist Arnold verkörpert Alexander Baab den Neonazi Jürgen. Trotz Lederjacke und Springerstiefeln ist er keiner, um den man auf der Straße ängstlich einen Bogen machen würde. Alexander Baab legt Energie in die Dummheit dieses Wüterichs, ohne ihn als Monster zu diffamieren. Der Zorn dieses Außenseiters hat eine sanfte Seite, mit der man sich bei anderer Gelegenheit vielleicht anfreunden könnte. Das macht diese Figur reizvoll zwiespältig. Und der Umstand, dass Peter Schmidt im Ensemble ist, sorgt dafür, dass das Theater auch nach dem Schlussapplaus wirken kann. Schmidt hat seine Kindheit im Darmstadt der Nazizeit erlebt. Nach der Premiere erzählt er dem beklommenen Publikum davon, wie er stets mit einem jüdischen Nachbarjungen spielte, wie daraufhin die Erziehung seiner Mutter amtlich in Zweifel gezogen wurde und wie der Spielkamerad von da an nicht mehr auf derselben Straßenseite laufen durfte wie er. Als Nachspiel der Friedhofsgroteske machen solche Erinnerungen an den totalitären Alltag das neue Theaterlaborprojekt besonders wertvoll…“ DARMSTÄDTER ECHO, Stefan Benz
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